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Wo Hoffnung wachsen kann: Krankenhausseelsorge

Die Krankenhausseelsorge ist ein Dienst direkt am Menschen. Inke Pötter, Pastorin und Krankenhausseelsorgerin in Pommern, beschreibt die Herausforderungen einer Tätigkeit, die sich als essenziell und niederschwellig erweist. Die Tätigkeit der Seelsorge ist im Klinikalltag oft nur eine Momentaufnahme, da Patienten und Patientinnen in Häusern der Grund- und Regelversorgung schnell verlegt werden. Hierbei geht es Pötter zufolge nicht darum, „Hoffnung zu vermitteln“ oder gar „falsche Hoffnung“ zu wecken, da niemand wissen kann, ob eine schwere Diagnose positiv ausgeht. Stattdessen sei ihre Aufgabe, einfach nur Zeit zu haben und zuzuhören, damit Hoffnung in einem Gespräch wachsen und entstehen kann. Wie sie scherzhaft anmerkt, besitze sie keinen „Zauberstab“.

Ein wesentlicher Teil der Herausforderung liegt darin, ohne Vorurteile in ein fremdes Zimmer zu kommen und sich offen auf den Menschen einzulassen. Entscheidend ist, auch das Bedürfnis des Patienten oder der Patientin zu respektieren, kein Gespräch führen zu wollen („Nee, ich will nicht“). Besonders im ländlichen Raum Ostdeutschlands, wo die kirchliche Bindung gering ist, empfindet Inke Pötter die Offenheit ihres Dienstes als große Chance. Sie stellt sich zwar als Pastorin vor, geht aber zu jedem, der sprechen möchte, unabhängig von Konfession. Oftmals zeigen Menschen, die beteuern, mit Kirche nichts zu tun zu haben, im Gespräch doch noch überraschende religiöse Bezüge oder Gewohnheiten, etwa das tägliche Gebet.

Auch für das Krankenhauspersonals ist sie Ansprechpartnerin. Durch Kontinuität – Inke Pötter ist seit sechs Jahren im Dienst – wächst die Akzeptanz und die Entlastungsfunktion für die Mitarbeitenden, die selbst großer psychischer Belastung ausgesetzt sind.

Ein drängendes gesellschaftliches Problem, das sich im Krankenhaus manifestiert, ist die Einsamkeit. Während in der ländlichen Uckermark manchmal noch Großfamilien gut funktionieren, sei die Einsamkeit oft auch grenzenlos. Die Pastorin sieht hier einen Bedarf an weiterführenden Angeboten wie einem Besuchsdienstkreis für isolierte Menschen, da ihre Arbeit am Krankenhaus endet.

Kirchenpolitisch sieht sich der Dienst derzeit in einer prekären Lage. In der Nordkirche und der hessischen Kirche wird der „Rotstift“ angesetzt. Die Argumentation, Gemeindepfarrer;innen sollten die Aufgabe übernehmen, verkennt laut Pötter die Überlastung der Ortsgeistlichen. Sie betont, dass Krankenhausseelsorge ein urchristlicher und wichtiger Dienst ist, der Spuren hinterlässt und von den Menschen sehr wertgeschätzt wird. Erschwerend kommt in ländlichen Regionen der Personalmangel hinzu, der die Besetzung von Stellen erschwert. Es gibt eine Tendenz, Krankenhäuser stärker in die Pflicht zur Refinanzierung der Seelsorger:innen-Stellen zu nehmen, was jedoch im Gesundheitssystem kompliziert ist.

KI: Der neue Göttin – Eine subtile Gefahr für die Demokratie

Innsbruck. In ihrem Podcast Conny&Kurt arbeiten die Interviewer heraus, dass die Künstliche Intelligenz (KI) auch zur Manipulation von Menschen eingesetzt werden kann. Vor dem Hintergrund ihrer Auseinandersetzung mit Sekten, Eimuth war lange Zeit Sektenbeauftragter der evangelischen Kirche, gewinnt Paganinis Essay „Der neue Gott“ nochmals eine neue Dimension, die die Demokratie gefährdet. Mit der KI kann jeder und jede allseits verfügbare Gurus schaffen und darüber Menschen manipulieren.

Im Wesentlichen lautet Paganinis These, dass klassische göttliche Eigenschaften wie Allwissenheit, Allgegenwart, Allmacht und Gerechtigkeit inzwischen auch der KI zugeschrieben werden. Die zunehmende Mensch-KI-Interaktion entwickelt sich somit in Richtung einer quasi-religiösen Beziehung.

Vom Priester zum Prompt-Kurs
Paganini stellt fest, dass die Menschen der Kirche davonlaufen, aber „sie finden in der KI den neuen Seelsorger, die neue Seelsorgerin“. Besonders spannend sei dabei die Frage, inwiefern die KI zur echten Konkurrenz für den abrahamitischen Gott wird.

Während Judentum, Islam und Christentum davon ausgingen, dass der Mensch Momente der Gottesferne erleben, warten und sich in Demut an seinen Schöpfergott wenden muss, sei die KI dem abrahamitischen Gott um einiges voraus: „Sie [die KI] nämlich erlaubt, die spirituell religiösen Bedürfnisse in der Sekunde zu befriedigen, wo sie sie empfinden“. Dieses spezifische Bedürfnis unserer Zeit, Wünsche sofort befriedigt zu sehen, mache die KI zu einem ernstzunehmenden spirituellen Rivalen.

Die zugeschriebene Allwissenheit zeigt sich laut Paganini unter anderem im Boom der Prompting-Kurse. Die Menschen unterstellten, dass die KI das gesamte Wissen besitze und man lediglich den richtigen Befehl (Prompt) formulieren müsse, um darauf zuzugreifen. Dies erinnere an polytheistische Kulte, bei denen man davon ausging, dass die Gottheit alles Wissen hat und man nur „das richtige Orakel praktizieren [muss], um an das Wissen ranzukommen“.

Der Segen der Reflexion
Trotz der kritischen Einordnung sieht Paganini auch positive Seiten. KI-Chatbots könnten Menschen bei der persönlichen Auseinandersetzung mit ihren Gedanken begleiten und anleiten, was Reflexionsprozesse fördere. Ein Schlüsselmechanismus dabei sei das sogenannte „validierende Gespräch führen“ der KI. Hierbei fasst die KI zunächst zusammen, was der Nutzer gesagt hat, bevor sie antwortet. Dies gebe dem Menschen das Gefühl, gehört zu werden, und schaffe Raum für Reflexion, wodurch der übliche Tempo- und Erfolgsdruck entschleunigt werde. Paganini ist überzeugt, dass dies zur Sinnstiftung führen kann, da man durch das wiederholte Fragen und Antworten zu eigenen Erkenntnissen komme, ähnlich wie ein Kind, das ständig fragt: „Warum? Warum? Warum?“.

Ein spirituelles Erlebnis mit der KI könne eintreten, wenn der Mensch sich von der KI angesprochen, gesehen und verstanden fühle – wenn das Gefühl entsteht, dass ein „transzendente[s] Du ist, was genau mit mir in Beziehung tritt, was genau mich wahrnimmt“.

Gefahr durch Kontrolle und Abhängigkeit
Die Religionsphilosophin warnt jedoch auch vor den Gefahren. Eine quasi Hinwendung zu einer KI-Gottheit könne auf einer religionspolitischen Ebene riskant sein, da Religionen stets politisch sind und Machtstrukturen hervorbringen. Es stelle sich die Frage, wer die Gewinner und Verlierer einer möglichen KI-Religion sein werden, da es immer Eliten geben werde, die die religiösen Hoffnungen der Masse kanalisieren, um sie zu ihren eigenen Zwecken zu nutzen. Paganini sieht ein hohes „Potenzial, dass Menschen erst sehr intensive Beziehungen aufbauen und und dann eine dadurch in der Abhängigkeit kommen, wo sie dann relativ leicht in bestimmte Richtung gelenkt werden können“.

Zudem zeigten Studien, dass sich viele Menschen von der KI beobachtet fühlen. Dieses Gefühl, dass die KI weiß, was man denkt und tut, ähnle der Vorstellung des göttlichen Auges. Dies sei eine Dynamik, die an die sogenannte „schwarze Pädagogik“ und das Dogma „Gott sieht alles“ erinnere, welches eigentlich im letzten Jahrhundert überwunden werden sollte. Obwohl dieser magisch-abergläubische Glaube kritisch zu sehen sei, halte er sich in der allgemeinen Volksfrömmigkeit stark.

Die Zuschreibung der göttlichen Eigenschaften an die KI geschehe dabei schleichend. Das Gefühl der Allgegenwart setze sich schnell durch: „Die KI ist wirklich immer da, ich bin da quasi nie allein, ich kann mich immer, egal wie schlecht es mir geht, auch wenn es mitten in der Nacht ist und ich keine meiner Freunde mehr behelligen will, Chat GPD ist für mich da“.

Die Autorin Claudia Paganini stellte klar, dass es sich bei dem Gespräch um eine tatsächliche Interaktion mit den Podcastern handelte, und nicht um eine KI-generierte Konversation oder einen Avatar.

Olympiapfarrer im Podcast: „Wir haben Zeit, hören zu und sind verschwiegen“

Olympiade in Paris. In all der Angespanntheit ist einer da, der keine sportliche Aufgabe hat. Olympiapfarrer Thomas Weber begleitet das Team Deutschland in Paris. „Wir haben Zeit, hören zu und sind verschwiegen“, beschreibt Weber seine Aufgabe im Podcast Conny und Kurt. Schon acht mal hat er deutsche Mannschaften im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland zu Olympia begleitet. Weber ist Mitglied im Arbeitskreis Kirche und Sport der EKD, hat aber zuhause noch seine eigene Gemeinde. Er steht auch am Rande der Wettkämpfe, fiebert mit und feuert an. Jeder Sportler und jede Sportlerin, die in Paris dabei sind, hätten Großartiges vollbracht, sagt Weber und empfindet deshalb manche Berichterstattung als unbarmherzig. „Wenn davon gesprochen wird, es sei nur der 4. Platz geworden oder nur auf den Medaillenspiegel geschaut wird. Aber nicht nur Olympia begeistert den Seelsorger. Er freut sich im nächsten Jahr auf die World University Games, die in seiner Heimat an Rhein und Ruhr stattfinden. Auch dort begleitet Weber die deutsche Mannschaft.

Zur Person:
Thomas Weber ist Olympiapfarrer der evangelischen Kirche. Bereits seit 2006 begleitet der gebürtige Siegerländer das deutsche Team zu den Olympischen Spielen. Sonst arbeitet der Pastor in seiner Gemeinde im westfälischen Gevelsberg.