Archiv für den Monat: August 2025

Hoffnungsschimmer nach Washington, Skepsis gegenüber Putins Friedenswillen

Nach den beiden Treffen in Alaska und Washington bleibt die Frage nach einer echten Friedenslösung für die Ukraine offen. Während ein Treffen in Alaska zunächst eine „Schockstarre“ in Europa und der Ukraine auslöste und Befürchtungen eines Rückfalls ins 19. Jahrhundert aufkommen ließ, da Großmächte über das Schicksal kleinerer Länder entscheiden würden, brachte das anschließende Treffen in Washington eine deutliche Korrektur, so die Einschätzung von Andreas von Schumann, stellvertretender Vorsitzender des Deutsch-Ukrainischen Forums im Podcast Conny&Kurt.

Putins Strategie: Zeit gewinnen und Unterwerfung fordern

Andreas von Schumann betont, dass Putin nur unter massivem Druck der USA nach Alaska kam, die mit verschärften Sanktionen drohten. Russland sei gut vorbereitet gewesen und habe direkt „unannehmbare Forderungen“ formuliert, die eine Lähmung des Prozesses zur Folge hatten. Putins Ziel gehe weit über die Ukraine hinaus, und er habe explizit erklärt, keinen Waffenstillstand machen zu wollen, solange er militärische Erfolge verzeichne. Sein Bestreben sei die Vergrößerung Russlands und die Wiederherstellung seiner „alten Blüte“. Russland sei nicht an einer Störung interessiert, sondern möchte in Ruhe weitermachen und setze weiterhin auf Propaganda, um die Einheit Europas zu untergraben.

Ein Waffenstillstand ist die absolute Grundlage für jegliche Verhandlungen. Ohne ihn seien Friedensverhandlungen „völlig absurd“. Die Ukraine könne Forderungen, wie die freiwillige Rückgabe des gesamten Donbas, nicht akzeptieren, da dies den Westen des Landes schutzlos ließe. Russland stelle Forderungen, von denen es selbst wisse, dass sie unannehmbar seien, um den Anschein von Flexibilität zu erwecken, während das eigentliche Ziel die „Unterwerfung“ der Ukraine sei.

Verbindlichkeit und Konsequenzen: Lehren aus der Geschichte

Ein zentrales Thema ist die Verbindlichkeit eines Friedensvertrages und der Schutz der Ukraine vor weiteren Angriffen. Historisch gesehen hat Russland, insbesondere Putin, Verträge immer wieder gebrochen, darunter das Minsker Abkommen und sogar die 2003 und 2004 persönlich von Putin ratifizierten Grenzverläufe zur Ukraine. Die Ukraine war nach dem Zerfall der Sowjetunion die drittgrößte Atommacht der Welt und gab 1994 im Budapester Memorandum ihre Atomwaffen im Tausch gegen Sicherheitsgarantien von Großbritannien, den USA und Russland ab. Während Großbritannien sich weiterhin auf diesen Vertrag beruft, tun dies die USA nicht in gleicher Weise, und Russland hat ihn eklatant gebrochen.

Um einen künftigen Vertragsbruch zu verhindern, müssen die Konsequenzen für Russland „so hoch sein, dass es ineffizient ist, den zu brechen“. In der Vergangenheit war die Schwäche des Westens, der Vertragsbrüche wie die Annexion der Krim nur milde verurteilte, ein Problem. Erst der Abschuss des malaysischen Flugzeugs führte zu ernsthaften Sanktionen.

Die Rolle der USA und Europas

Die USA an Bord zu halten, ist ein „ganz wichtiges Ziel der europäischen Staaten“, da Europa ohne die USA, insbesondere deren Geheimdienstinformationen, nicht verteidigungsfähig ist und die Ukraine nicht unterstützen kann. Während die USA sich auf den pazifischen Raum konzentrieren wollen und militärische Interventionen in Europa vermeiden möchten, fordern die europäischen Staaten ein schnelles Ende des Krieges und die Einhaltung des internationalen Rechts, um weitere weltweite Konflikte zu verhindern.

Diskutiert werden derzeit auch eine „Paragraph 5-ähnliche“ Vereinbarung für Sicherheitsgarantien und eine „Finnland-Lösung“, bei der Finnland Land abtrat, um seine Unabhängigkeit zu bewahren. Diese Diskussionen zielen auf eine Vereinbarung mit sehr hoher Verbindlichkeit ab, auch wenn der NATO-Paragraph 5 selbst nicht so verbindlich ist, wie viele meinen.

Abschließend betont Andreas von Schumann, dass ein „langer Atem“ und „entschlossener Atem“ gefordert sind, da eine schnelle Lösung des Konflikts unwahrscheinlich ist.

Zur Person:

Andreas von Schumann, Stellvertretender Vorsitzender des Deutsch-Ukrainischen Forums.

Das Deutsch-Ukrainische Forum, 1999 gegründet, um Akteure aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft zu vernetzen, hat sich seit 2014 und insbesondere seit 2022 stark auf humanitäre Hilfe und Soforthilfe konzentriert. Ihr Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der Vorbereitung des Wiederaufbaus der Ukraine und der Stärkung der Kooperation zwischen deutschen, europäischen und ukrainischen Unternehmen. Dies beinhaltet die Unterstützung bei der provisorischen Reparatur zerstörter Infrastruktur, aber auch die Förderung wirtschaftlicher Entwicklung und der Schaffung von Einkommen. Das Forum organisiert Reisen für deutsche Unternehmen in die Ukraine und arbeitet eng mit lokalen Institutionen zusammen, um Kontakte zu knüpfen und das große Potenzial der Ukraine, beispielsweise im Bereich Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit, zu nutzen.

Der fast vergessene Ehrenbürger: Albert Schweitzer

Sicher hat die Stadt Frankfurt ihren Ehrenbürger Albert Schweitzer nicht ganz vergessen. Nur gesprächsfähig war man nicht. Die Pressesprecherin des Kulturamtes Hanna Immich fand weder im Institut für Stadtgeschichte noch im Historischen Museum einen Interviewpartner:in für den Podcast Conny&Kurt.

Albert Schweitzer hatte eine intensive Beziehung zur Mainmetropole. 1959 erhielt er die Ehrenbürgerrechte der Stadt Frankfurt. Er erhielt außerdem 1928 den Goethepreis der Stadt, sprach 1932 im Opernhaus anlässlich des 100. Todestages Goethes. Ebenso hielt er die Laudatio auf Thomas Mann am 28. August 1949 in der Paulskirche als dieser den Goethepreis in Empfang nehmen durfte. Und ja, er gab in zahlreichen Kirchen Frankfurts Orgelkonzerte und sammelte so für sein Krankenhaus in Lambarene.

Sein Motto „Ehrfurcht vor dem Leben“ bleibt hochaktuell.

Als Pfarrer, Theologe, Mediziner und Musiker war Schweitzer ein Universalgenie. Nach seinen Studien entschied er sich, sein Leben in den Dienst des Nächsten zu stellen, gründete und baute in Lambaréné ein Krankenhaus auf. Sein Alltag dort war eine Synthese aus medizinischer Versorgung, Bauarbeiten und intensiver Gelehrsamkeit; nachts verfasste er dicke Bücher, wie sein Werk über Johann Sebastian Bach. Dieser selbstlose Einsatz entsprang seiner tiefen christlichen Überzeugung und fasziniert bis heute. Übrigens genoss Schweitzer hohe Anerkennung in der DDR, wie Andreas Porzig im Podcast berichtet.

Schweitzers Lehren sind aktuell wie nie. Sein energischer Kampf für die Abschaffung von Atom- und Kernwaffen, die er als völkerrechtswidrig brandmarkte, gewinnt in der heutigen geopolitischen Lage neue Dringlichkeit. Zudem betonte er die Liebe und Nächstenliebe zu allen Menschen. Sein Prinzip der „Ehrfurcht vor dem Leben“ weitete er auf Tiere und Pflanzen aus, was ihn zu einem frühen Vordenker der Nachhaltigkeit und der Klimakrise macht.

Obwohl Schweitzers Präsenz in der Öffentlichkeit nach seinem Tod abnahm, wird sein Erbe weiterhin gepflegt. Das Krankenhaus in Lambaréné ist bis heute medizinisch bedeutsam. Das Albert-Schweitzer-Zentrum in Offenbach bewahrt sein Werk und bietet Dauerausstellungen an. Eine Wanderausstellung ist im September in der Frankfurter Gethsemanekirche geplant. Erst kürzlich wurde ein Albert-Schweitzer-Oratorium in Frankfurt uraufgeführt. Schweitzer bleibt ein Vorbild für authentisches Handeln und persönlichen Einsatz, dessen facettenreiches Leben – musikalisch, theologisch, anekdotisch – zur Auseinandersetzung einlädt.

Altersdiskriminierung und Generationenkonflikt: Soziologe fordert gesamtgesellschaftlichen Brückenschlag

Professor Reimer Gronemeyer, Soziologe, Theologe und Autor des Buches „Die Abgelehnten“, kritisiert, dass Altersdiskriminierung oft unterschätzt wird. Er definiert sie als eine tiefe, gesellschaftliche Benachteiligung, die nicht immer offensichtlich ist. Während die Debatte oft die Jungen zugunsten der Boomer benachteiligt sieht, warnt Gronemeyer vor einem „An den Randschieben“ der Alten, beispielsweise durch unbezahlbare Pflegeheimplätze.

https://youtu.be/2-YSgMcEcF8

Die Gesellschaft sei jugendlich geprägt, wodurch die Alten ihren traditionellen Wert als Träger von Wissen und Erfahrung verloren haben. Die Digitalisierung mache Ältere zu ständigen „Schülern“. Dies führe zu einem immer tieferen Bruch zwischen Jung und Alt, der beiden Generationen schade. Die Vorwürfe der Jugend an die Generation der Babyboomer bezüglich der Klimakrise und des Festhaltens an Führungspositionen seien völlig gerechtfertigt, da „alte weiße Männer“ maßgeblich an den heutigen Krisen beteiligt sind. Dieser Konflikt äußere sich auch in einer „giftigen“ Haltung gegenüber den Alten, da sie als Verursacher und Ressourcenverbraucher wahrgenommen werden.

Gleichzeitig sind traditionelle Begegnungsräume wie Kirchen, Parteien und Nachbarschaften zerbrochen, was zu Einsamkeit und Singularität führt. Die Rentendiskussion, in der sich die Generationen gegenseitig Vorwürfe machen, zeige diesen Gegenläufigen Konflikt deutlich.

Gronemeyer fordert einen gesamtgesellschaftlichen Austausch und betont, dass die Lösung nicht von Kabinetten, sondern von den Bürgern selbst kommen muss. Die Krisen müssten gemeinsam bewältigt werden. Die Kirchen könnten eine Rolle spielen, indem sie sich den wirklichen Nöten und Ängsten der Menschen widmen. Wichtiger sei es, gemeinsame Sehnsüchte zu erkennen und Wege zur Überwindung von Erschöpfung durch Stress zu finden, statt sich gegenseitig zu beschuldigen. Ein Lebensstil mit weniger Geld sollte als Chance begriffen werden.

Entscheidend sei die Wiederbelebung des Alltags durch bürgerschaftliches Engagement, etwa solidarische Landwirtschaft, und das Zurückerobern von Städten, Straßen und Plätzen durch Jung und Alt gemeinsam. Der Verlust lokaler Geschäfte, einst wichtige soziale Treffpunkte, verschärfe die Einsamkeit. Gronemeyer bleibt optimistisch: Es gebe bereits viele aufblühende kleine Gruppen, die alternative Lebensweisen praktizieren und Generationen zusammenbringen. Ziel sei ein intergenerationelles Miteinander, das jeden Einzelnen, unabhängig vom Alter, wertschätzt.

Zur Person
Reimer Gronemeyer studierte zunächst evangelische Theologie. 1971 wurde er mit einer Arbeit zu den Paulusbriefen promoviert und war danach Pfarrer in Hamburg. Danach studierte er Soziologie und wurde 1973 mit einer Arbeit zu Fragen der betrieblichen und gesellschaftlichen Partizipation promoviert.

Seit 1975 ist er Professor für Soziologie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit den Fragen des Alterns in der Gesellschaft.