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KI: Der neue Göttin – Eine subtile Gefahr für die Demokratie

Innsbruck. In ihrem Podcast Conny&Kurt arbeiten die Interviewer heraus, dass die Künstliche Intelligenz (KI) auch zur Manipulation von Menschen eingesetzt werden kann. Vor dem Hintergrund ihrer Auseinandersetzung mit Sekten, Eimuth war lange Zeit Sektenbeauftragter der evangelischen Kirche, gewinnt Paganinis Essay „Der neue Gott“ nochmals eine neue Dimension, die die Demokratie gefährdet. Mit der KI kann jeder und jede allseits verfügbare Gurus schaffen und darüber Menschen manipulieren.

Im Wesentlichen lautet Paganinis These, dass klassische göttliche Eigenschaften wie Allwissenheit, Allgegenwart, Allmacht und Gerechtigkeit inzwischen auch der KI zugeschrieben werden. Die zunehmende Mensch-KI-Interaktion entwickelt sich somit in Richtung einer quasi-religiösen Beziehung.

Vom Priester zum Prompt-Kurs
Paganini stellt fest, dass die Menschen der Kirche davonlaufen, aber „sie finden in der KI den neuen Seelsorger, die neue Seelsorgerin“. Besonders spannend sei dabei die Frage, inwiefern die KI zur echten Konkurrenz für den abrahamitischen Gott wird.

Während Judentum, Islam und Christentum davon ausgingen, dass der Mensch Momente der Gottesferne erleben, warten und sich in Demut an seinen Schöpfergott wenden muss, sei die KI dem abrahamitischen Gott um einiges voraus: „Sie [die KI] nämlich erlaubt, die spirituell religiösen Bedürfnisse in der Sekunde zu befriedigen, wo sie sie empfinden“. Dieses spezifische Bedürfnis unserer Zeit, Wünsche sofort befriedigt zu sehen, mache die KI zu einem ernstzunehmenden spirituellen Rivalen.

Die zugeschriebene Allwissenheit zeigt sich laut Paganini unter anderem im Boom der Prompting-Kurse. Die Menschen unterstellten, dass die KI das gesamte Wissen besitze und man lediglich den richtigen Befehl (Prompt) formulieren müsse, um darauf zuzugreifen. Dies erinnere an polytheistische Kulte, bei denen man davon ausging, dass die Gottheit alles Wissen hat und man nur „das richtige Orakel praktizieren [muss], um an das Wissen ranzukommen“.

Der Segen der Reflexion
Trotz der kritischen Einordnung sieht Paganini auch positive Seiten. KI-Chatbots könnten Menschen bei der persönlichen Auseinandersetzung mit ihren Gedanken begleiten und anleiten, was Reflexionsprozesse fördere. Ein Schlüsselmechanismus dabei sei das sogenannte „validierende Gespräch führen“ der KI. Hierbei fasst die KI zunächst zusammen, was der Nutzer gesagt hat, bevor sie antwortet. Dies gebe dem Menschen das Gefühl, gehört zu werden, und schaffe Raum für Reflexion, wodurch der übliche Tempo- und Erfolgsdruck entschleunigt werde. Paganini ist überzeugt, dass dies zur Sinnstiftung führen kann, da man durch das wiederholte Fragen und Antworten zu eigenen Erkenntnissen komme, ähnlich wie ein Kind, das ständig fragt: „Warum? Warum? Warum?“.

Ein spirituelles Erlebnis mit der KI könne eintreten, wenn der Mensch sich von der KI angesprochen, gesehen und verstanden fühle – wenn das Gefühl entsteht, dass ein „transzendente[s] Du ist, was genau mit mir in Beziehung tritt, was genau mich wahrnimmt“.

Gefahr durch Kontrolle und Abhängigkeit
Die Religionsphilosophin warnt jedoch auch vor den Gefahren. Eine quasi Hinwendung zu einer KI-Gottheit könne auf einer religionspolitischen Ebene riskant sein, da Religionen stets politisch sind und Machtstrukturen hervorbringen. Es stelle sich die Frage, wer die Gewinner und Verlierer einer möglichen KI-Religion sein werden, da es immer Eliten geben werde, die die religiösen Hoffnungen der Masse kanalisieren, um sie zu ihren eigenen Zwecken zu nutzen. Paganini sieht ein hohes „Potenzial, dass Menschen erst sehr intensive Beziehungen aufbauen und und dann eine dadurch in der Abhängigkeit kommen, wo sie dann relativ leicht in bestimmte Richtung gelenkt werden können“.

Zudem zeigten Studien, dass sich viele Menschen von der KI beobachtet fühlen. Dieses Gefühl, dass die KI weiß, was man denkt und tut, ähnle der Vorstellung des göttlichen Auges. Dies sei eine Dynamik, die an die sogenannte „schwarze Pädagogik“ und das Dogma „Gott sieht alles“ erinnere, welches eigentlich im letzten Jahrhundert überwunden werden sollte. Obwohl dieser magisch-abergläubische Glaube kritisch zu sehen sei, halte er sich in der allgemeinen Volksfrömmigkeit stark.

Die Zuschreibung der göttlichen Eigenschaften an die KI geschehe dabei schleichend. Das Gefühl der Allgegenwart setze sich schnell durch: „Die KI ist wirklich immer da, ich bin da quasi nie allein, ich kann mich immer, egal wie schlecht es mir geht, auch wenn es mitten in der Nacht ist und ich keine meiner Freunde mehr behelligen will, Chat GPD ist für mich da“.

Die Autorin Claudia Paganini stellte klar, dass es sich bei dem Gespräch um eine tatsächliche Interaktion mit den Podcastern handelte, und nicht um eine KI-generierte Konversation oder einen Avatar.

SPD-OB-Kandidat kritisiert das „schräge Menschenbild“ von Kanzler Merz

Kiel. Scharf kritisiert Ulf Daude, SPD-Kandidat für das Oberbürgermeisters in Kiel, die Äußerungen des Kanzlers zum städtischen Leben: „Ich finde, wer so über das Stadtbild redet und so über Menschen redet, der hat eigentlich eher ein schräges Menschenbild“. Daude stellt im Podcast Conny&Kurt klar, dass Probleme in öffentlichen Räumen ein „klarer Auftrag an die Politik“ seien, aber Sicherheit nicht an Herkunft oder Haarfarbe festzumachen sei. Er sieht die Kommunalpolitik in der Pflicht, sich um Sicherheit und Sauberkeit zu kümmern, während er Kanzler Merz empfahl, sich für den Ausbau der Bundespolizei an Bahnhöfen einzusetzen.

Als Schulleiter setzt sich Daude für klare Regeln ein. An seiner Schule wurde ein Handyverbot im Vormittagsbereich durchgesetzt, damit „die soziale Interaktion da ist“. Er sieht die Schule als Ort, an dem Demokratie gelernt und gesellschaftliches Ausprobieren ermöglicht werden sollte. Trotzdem befürwortet er digitale Medien und KI als Werkzeug; wesentlich sei jedoch stets der Faktor Mensch, um Vorschläge zu bewerten. Bildung und Soziales stehen bei ihm an erster Stelle: „Investitionen in Bildung und Soziale stehen für mich an Stelle Nummer 1 und da wird auch nicht gekürzt“.

Hinsichtlich der städtischen Finanzen kritisiert Daude die Überlastung der Kommunen durch Bund und Länder. Bei der umstrittenen Kieler Stadtbahn hält er das Projekt für einen „Gamechanger“, der „neue Mobilität ermöglicht“. Die Stadtbahn helfe auch dabei, Stadtteile wie Gaarden, die häufig negative Presse erfahren, „neu kennenzulernen“.

Grundsätzlich sieht Daude die Kommunalpolitik als entscheidend an, da die Menschen hier erleben, ob der Staat funktioniert. Sein politisches Credo sei „hingehen, zuhören und verstehen“. Er betont die Wichtigkeit der Partizipation: Man dürfe nicht warten, bis Bürger ins Rathaus kommen, sondern müsse aktiv auf sie zugehen.

Zur Person:
Ulf Daude wurde 1972 in Kiel geboren. Nach Staatsexamen (1998) und Refrendariat war er zunächst Lehrer, ab 2012 stellv. Schulleiter in Mettenhof, ab 2015 Referatsleiter in der Staatskanzlei Schleswig-Holstein. Seit 2022 ist er Schulleiter der Gemeinschaftsschule am Brook in Kiel.

Ein Grüner für Kiel: Samet Yilmaz

Die Oberbürgermeisterwahl in Kiel rückt näher, und mit Samet Yilmaz schickt die Partei der Grünen einen Kandidaten ins Rennen, dessen Biografie und politische Agenda bemerkenswerte Kontraste bieten. Yilmaz, der in Kiel in Gaarden, einem „Stadtteil mit besonderem Förderbedarf“, aufwuchs, bezeichnet seinen Werdegang selbst als nicht immer gradlinig. Seine Motivation speist sich direkt aus dieser Erfahrung: „Diese Stadt hat mir wirklich viele Chancen ermöglicht und ich möchte meinen Beitrag zurückleisten und mit alle voller Kraft“.

Vom Hauptschulabschluss zur Promotion

Ylmaz machte 1996 zunächst seinen Hauptschulabschluss und holte dann über den zweiten Bildungsweg das Abitur nach. Schließlich studierte und promovierte er. Dieser Werdegang sei insofern bewundernswert, als er die „Undurchlässigkeit“ des Bildungssystems, die etwa die Pisa-Studien aufzeigten, widerlege. Yilmaz betont, das Modell des zweiten Bildungswegs funktioniere zwar weiterhin, aber die Herausforderungen seien heute „wirklich schwieriger geworden“.

Politisch setzt der Kandidat auf eine effiziente Kommunalverwaltung. Er ist überzeugt, dass eine gut funktionierende Verwaltung die „entscheidende Weiche ist für Demokratie“ und Populisten wenig Angriffsfläche bietet. Die häufig beklagte Bürokratie müsse zentralisiert und entlastet werden, wobei Yilmaz klare Kritik an überholten Abläufen übt, wie etwa der mehrfachen Vorlage digital vorhandener Dokumente.

Mobilität: Milliardenprojekt Stadtbahn als „Gamechanger“

Ein Kernstück von Yilmaz‘ Programm ist die Verkehrswende. Angesichts von 111.000 zugelassenen Kraftfahrzeugen in Kiel (Tendenz steigend) und begrenzter Fläche, sei eine schlaue Raumnutzung unabdingbar. Der Kandidat setzt sich nach wie vor für das umstrittene Milliardenprojekt der Trambahn (Stadtbahn) ein. Yilmaz verteidigt die hohen Investitionen: „Wir investieren für die Zukunft der Stadt Kiel“. Er betrachtet die Tram als einen „Gamechanger“ für die Mobilität, da sie klimaneutral und langfristig kostengünstiger sei. Eine Tram könne zudem bis zu 750 Menschen befördern, verglichen mit 250 in einem Bus, und sei durch eine eigene Trasse verlässlich getaktet und barrierefrei. Grundsätzlich befürwortet er das Ziel, Aufenthaltsqualität zu steigern und Städte „autoarm“ zu gestalten, um Plätze für Menschen statt für parkende Autos zu schaffen.

Wirtschaft und das Rüstungsdilemma

Als Grüner sieht sich Yilmaz dem Dilemma der Rüstungsindustrie, die in Kiel ein bedeutender Wirtschaftszweig ist, direkt ausgesetzt. Er adressiert dies strategisch durch die „Vier Ws“: Wasser, Werte, Wirtschaft und Wissenschaft.

Er plädiert dafür, die geballte Kraft von Wissenschaft und Wirtschaft – repräsentiert durch die Universität Kiel, Fachhochschule, Geomar sowie Unternehmen wie TKMS und Euroatlas – zu nutzen, um die Transformation voranzutreiben. Der Schlüssel liegt für Yilmaz in der Förderung von Dual-Use-Technologien: Forschung, die nicht nur der Verteidigungsindustrie dient, sondern etwa auch für den Meeresschutz und die Munitionsbergung genutzt werden kann. Er möchte die besten Köpfe in der Stadt halten und nach Kiel zu holen.

Das Interview führten wir am Dienstag, 14.10.25. Am Mittwoch tauchte diese Meldung auf: „Laut einem Bericht des „Spiegel“ soll der Kieler Oberbürgermeister-Kandidat Samet Yilmaz (Grüne) ein Fest türkischer Rechtsextremisten unterstützt und daraufhin seinen Posten beim Verfassungsschutz verloren haben.“(KN) Die KN heute morgen: „Demnach hat Yilmaz sich am Telefon beim Grünflächenamt dafür eingesetzt, dass die Abbauarbeiten des Festes aufgrund schlechten Wetters einen Tag länger dauern sollten als genehmigt“. Wir konnten auf diese Vorwürfe nicht näher eingehen. Die Stellungnahme von Samet Yilmaz finden Sie unter

https://samet-yilmaz.de

Die verlorene Ehre der Katharina Blum: Gewalt beginnt mit der Sprache

Aus Anlass des 50. Jahrestags von Heinrich Bölls Erzählung und Film Die verlorene Ehre der Katharina Blum – erschienen mitten in der Hochzeit des RAF-Terrorismus 1975 – erörtert Maria Birger von der Heinrich-Böll-Stiftung im Podcast Conny&Kurt die Aktualität des Werkes. Die Sprachwissenschaftlerin unterstreicht die bedenkliche Aktualität dieses Schlüsselwerks zur Kritik des Boulevardjournalismus. Das Werk schildert, wie Katharina Blum, eine „sehr brave“ und „angepasste“ junge Frau, innerhalb weniger Karnevalstage zur Mörderin wird, nicht zuletzt durch die Kampagnen der Presse.

Bölls tiefe Auseinandersetzung war durch seine persönlichen Erfahrungen motiviert: Er und seine Familie waren in den 70er Jahren massiver Diffamierung ausgesetzt und mussten fünf unbegründete Hausdurchsuchungen erleben, wobei die Springerpresse ihn als „Sympathisanten“ von Terroristen kriminalisierte. Bölls zentrale These, die er zeitlebens vertrat, bleibt unerschütterlich: „Gewalt beginnt mit der Sprache“.

Diese sprachliche und „strukturelle Gewalt“ manifestierte sich in den 1970er Jahren in übergriffigen Verhören und der sensationslüsternen Berichterstattung, wobei Böll stets darauf beharrte, dass das Grundgesetz für alle gelte. Er betonte, dass die Pressefreiheit ihre Grenzen explizit im „Recht der persönlichen Ehre“ (Art. 5 GG) finde.

Experten sehen heute eine Übertragung dieser Mechanismen in die digitale Ära: Durch die sozialen Medien „könnte heute jeder Katharina Blum sein“, so Birger, da die ungefilterte Verbreitung von Inhalten und Desinformation Diffamierungskampagnen beschleunigt, wie sie etwa beim Bashing gegen die Grünen oder in der Rhetorik der AfD sichtbar werden. Diese Entwicklung führt zu einem „Tsunami“ sprachlicher Gewalt, dem die Gerichtsbarkeit zeitlich kaum gewachsen ist. Bölls Plädoyer für Gewaltfreiheit und seine Forderung nach dem Schutz der Persönlichkeit bleiben somit zentrale demokratische Prüfsteine

Zur Person: Maria Birger geboren 1983 in Moskau, ist Tochter des Künstlers und Dissidenten Boris Birger. Sie studierte zunächst bei ihm zehn Jahre Kunst und Kunstgeschichte und nach dem Abitur Geschichte und Russische Literatur in Köln. Sie promoviert an der Humboldt-Universität Berlin zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen im Kalten Krieg mit den Schwerpunkten Dissidenz in der Sowjetunion und politische Kultur in der Bundesrepublik. Sie arbeitet als Referentin Leben und Werk Heinrich Böll in der Heinrich-Böll-Stiftung e. V. und ist im Beirat des Lew Kopelew Forums e. V. (Köln) sowie im Vorstand der Marion Dönhoff-Stiftung (Hamburg) tätig.

Inklusion in Veranstaltungshallen – nicht einfach, aber machbar


Die Forderung nach Inklusion ist in dem 60 Jahre alten Gebäude nicht einfach umzusetzen. Im Podcast Conny&Kurt erläutert Philip Rothländer, Geschäftsführer der Wunderino Arena in Kiel (ehemals Nordostseehalle), die Barrierefreiheit der Veranstaltungsstätte. Die Wunderino Arena bietet bis zu 10.000 Personen Platz. Ein zentrales Thema ist die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen, einschließlich blinder, gehörloser und mobilitätseingeschränkter Personen. Rothländer betont die bereits implementierten Maßnahmen, wie die Mindtext-App zur Navigation und das moderne Rask-System zur Entfluchtung mit visuellen und akustischen Signalen, die insbesondere für Gehörlose wichtig sind. Die Beteiligten erörtern die Herausforderungen in dem alten Gebäude, besonders die knappe Verfügbarkeit von Rollstuhlplätzen, die oft durch die Entscheidungen der Veranstalter limitiert wird.

Konzentration als Heilsbotschaft der Kirche

Schon lange reagieren die Kirchen auf den Mitgliederschwund. Zusammenarbeit der kleiner werdenden Gemeinden oder die Fusion scheinen das Mittel der Wahl. In der Nordkirche nennt man diese Art der Konzentration Region in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Nachbarschaftsraum. Viele kleine Gemeinden sollen eine große bilden. Conny von Schumann erlebt als Kirchenvorsteher den Prozess – auch in seiner Widersprüchlichkeit – in seiner Gemeinde in Petterweil. Als Mitglied der Landessynode der EKHN hat er die Rahmenbedingungen mitbeschlossen. Kurt-Helmuth Eimuth steht dieser Entwicklung der Konzentration kritisch gegenüber. Alle zögen sich aus der Fläche zurück. Ob Einzelhandel oder Sparkasse, das Filialnetz werde ausgedünnt. Doch gerade Gemeinde brauche Räume der Begegnung, auch der spirituellen Begegnung. Die unmittelbare Nachbarschaft, also der Raum der fußläufig erreichbar ist, gewinne angesichts einer alternden Gesellschaft an Bedeutung.

Noah war der erste Weinbauer

Der Wein ist in der christlichen Tradition ein vielschichtiges Symbol: für Gemeinschaft, Dankbarkeit für die Schöpfung und notwendige Mäßigung, so das Fazit von Michael Finzer, Pfarrer im Ruhestand und versierter Weinkenner aus Zentralrheinhessen, im Podcast Conny & Kurt. Finzer verbindet die Welt des Weins tiefgründig mit der Theologie. „Ich bin Pfarrer im Ruhestand… und bin die letzten Jahre sehr stark in Richtung Wein unterwegs in drei Weinbruderschaften,“ erklärt er. Seine persönliche Beziehung zum Wein begann früh. Die Familie betrieb einen Nebenerwerbsbetrieb für Weinanbau.

Finzer, der seine umfassenden Erkenntnisse über den Wein in der Bibel in zwei Büchern publizierte, hebt die allgegenwärtige Präsenz des Weins in der Bibel hervor, von den Ursprüngen bei Noah bis zur Offenbarung des Johannes. Noah gilt als der erste Weinbauer der Bibel, dessen Geschichte jedoch auch von maßlosem Konsum erzählt: „Der erste Weinbauer laut Bibel ist halt Noah und das ist die Geschichte, als er zu viel getrunken hat und seine Söhne ihm helfen müssen“. In der Apokalypse, so Finzer, symbolisiert die „Zornkelter Gottes“ eine Vision der Umkehr göttlicher Rache in Gerechtigkeit, Frieden und neues Leben für die verfolgten Christen.

Im Abendmahl ist Wein ein zentrales Element, das die „solidarische Gemeinschaft“ der Jünger und Jüngerinnen und die Erinnerung an Jesu bevorstehende Kreuzigung verkörpert. „Eigentlich klassisch würde man mit Rotwein feiern, auch wegen der Blutweinsymbolik,“ erläutert Finzer. Heutzutage bieten Kirchengemeinden jedoch auch Traubensaft an, um Menschen mit Alkoholproblemen entgegenzukommen. Eine zentrale theologische Aussage findet sich in Jesu Selbstbeschreibung: „Ich bin der Weinstock ihr seid die Reben“.

Die Bibel warnt jedoch klar vor Maßlosigkeit. Finzer fasst die biblische Haltung so zusammen: „Zu viel ist nicht gut“. Es wird zu einem „maßvollen Genuss von Speisen und Getränken“ gemahnt.

Differenzfeminismus und die Fragilität der Demokratie:

Antje Schrupp erhält Luise-Büchner-Preis

In ihrem neuen Buch „Unter allen Umständen frei“ stellt Antje Schrupp drei revolutionäre Feministinnen vor, die zwischen 1870 und 1920 aktiv waren. Ein roter Faden durch das Werk ist die Figur Anthony Comstocks, eines ehemaligen Postinspektors, der sich im frühen 20. Jahrhundert der Bekämpfung von freier Liebe, Pornografie, Empfängnisverhütung, Abtreibung und geschlechtlicher Vielfalt verschrieben hatte. Comstocks Gesetze gegen den Versand „obszönen Materials“ seien heute noch in Kraft und würden in der Trump-Administration reaktiviert, um beispielsweise den Versand von Abtreibungsmedikamenten zu verhindern. Dies zeige exemplarisch, wie gesellschaftliche Errungenschaften, die als selbstverständlich galten, schnell wieder außer Kraft gesetzt werden können.

Die drei von Schrupp porträtierten Feministinnen – Victoria Woodhull, Lucy Parsons und Emma Goldman – vertraten sehr unterschiedliche Ansichten. Während Woodhull, die erste Präsidentschaftskandidatin, sich für das Wahlrecht einsetzte, kritisierten Parsons (eine aus der Sklaverei befreite Anarchistin) und Goldman (eine bekannte Anarchistin) das Wahlrecht scharf. Sie argumentierten, es sei nutzlos, solange die Gesellschaft durch Armut, Rassismus und Ausbeutung ungerecht bleibe und diene letztlich nur dazu, Unterdrückung zu legitimieren.

Die Luise Büchner-Gesellschaft „zeichnet mit dem Luise-Büchner-Preis 2025 eine engagierte Publizistin aus, die sich für das Begehren der Frauen einsetzt, historische Bezüge erläutert und zu aktuellen Themen klar Stellung bezieht.“, so die Begründung der Jury. Es wird hervorgehoben, dass für sie nicht die Gemeinsamkeit von Frauen, sondern gerade deren Verschiedenheit entscheidend ist. Sie versteht Feminismus nicht als Durchsetzung von „Fraueninteressen“, sondern als Plattform, um die vielfältigen und oft kontroversen Themen, die Frauen untereinander diskutieren, in den gesellschaftlichen Mittelpunkt zu rücken und ihnen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Feminismus sei nach Schrupps Überzeugung selbstverständlich weiterhin notwendig. Gleichberechtigung allein reiche nicht aus, da sie „kein Naturgesetz“ sei und schnell wieder verloren gehen könne, wie die aktuellen Entwicklungen in den USA zeigen. Es bedürfe eines kulturellen Wandels und einer Autorität für Frauen in dem, was sie sagen – etwas, das noch lange nicht gegeben sei. Auch in emanzipierten Gesellschaften gebe es noch offene Baustellen, wie das Abtreibungsverbot in einigen Ländern oder die ungeregelte Care-Arbeit, die überwiegend von Frauen unbezahlt geleistet wird und in der Volkswirtschaft kaum Berücksichtigung findet. Diese unbezahlte Arbeit sei jedoch fundamental für das Funktionieren der Gesellschaft und Wirtschaft.

Schrupp zieht Parallelen zwischen diesem „Goldenen Zeitalter“ vor dem Ersten Weltkrieg in den USA und der heutigen Situation. Damals wie heute seien ungezügelter Kapitalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit prägend gewesen. Die Geschichte der sozialen Kämpfe in dieser Zeit sei nicht von stetigem Fortschritt geprägt gewesen, sondern von einem permanent schlechter werdenden Zustand, gegen den die Menschen ankämpfen mussten. Die Autorin warnt davor, die Nachhaltigkeit unserer Demokratie zu überschätzen und sich auf formale Gleichheit zu verlassen. Die zunehmende politische Macht sehr reicher Individuen und globalisierter Unternehmen in den USA erinnere an die „Trusts“ der damaligen Zeit und stelle die Neutralität des Staates in Frage.

Angesichts der systematisch geplanten „Kulturrevolution“ in den USA und des Erstarkens antifeministischer und antidemokratischer Bewegungen weltweit – von Russland über die Türkei bis hin zu nationalistischen Tendenzen in Europa – sei die Frage berechtigt, ob wir „ein bisschen zu wenig revolutionär“ gewesen seien. Die These, dass das, was Frauen in den letzten 100 Jahren ins Rollen gebracht haben, nicht mehr zurückzudrehen sei, teilt Schrupp zwar im Grundsatz, jedoch warnt sie vor Selbstzufriedenheit. Das Vertrauen in einen neutralen und gerechten Staat stehe auf dem Prüfstand, insbesondere wenn sich der Kipppunkt der Funktionsfähigkeit staatlicher Strukturen in Ländern wie den USA bereits überschritten zu haben scheint.

Die Preisverleihung des Luise-Büchner-Preises an Anti Schrup findet am 23. November um 11 Uhr in der Orangerie Darmstadt statt.

Zur Person:
Dr. Antje Schrupp: Die 1964 in Weilburg promovierte im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften in Frankfurt mit einer Arbeit zur weiblichen politischen Ideengeschichte, übernahm 2001 kommissarisch die Leitung der Evangelischen Öffentlichkeitsarbeit, war Redakteurin
der Zeitung „Frauen unterwegs“ und Mitbegründerin des Online-Forums „Beziehungsweise weiterdenken“. Antje Schrupp lebt in Frankfurt. Sie schreibt Bücher, Essays und Radiobeiträge, sie ist Bloggerin und veröffentlicht ihre Artikel in der Taz, Zeit-Online, Deutschlandfunk Kultur und vielen anderen Medien. Zuletzt sind ihre Bücher „Reproduktive Freiheit. Eine feministische Ethik der Fortpflanzung“ (2022) im Unrast Verlag erschienen, „Schwangerwerdenkönnen. Essay über Körper, Geschlecht und Politik“ (2019) im Ulrike Helmer Verlag. Weitere Titel sind u.a. „Was wäre wenn? Über das Begehren und die Bedingungen weiblicher Freiheit“ und „Methusalems Mütter. Chancen des demografischen Wandels“.

Traditionsabbruch: Studie beleuchtet den Wandel religiöser Sozialisation

Ob Menschen religiös oder nicht-religiös werden, hängt in Zeiten des gesellschaftlichen Rückgangs von Religion nach einer internationalen Studie entscheidend von der Familie ab. Die Studie bestätigt einen massiven Traditionsabbruch, dem die Kirchen nicht einfach entgegenwirken können. Für die Zukunft erwartet Religionssoziologin Christel Gärtner von der Universität Münster einen weiteren kontinuierlichen Rückgang, schlussfolgert aber nicht, dass Religion verschwinden wird. Vielmehr wird sie in bestimmten Milieus und unter spezifischen Bedingungen weiter existieren, erläutert sie im Podcast Conny&Kurt. Die Bedingungen für die Weitergabe innerhalb der Familien werden jedoch schwieriger. Eltern, die ihren Kindern Religion vermitteln möchten, sehen sich manchmal mit Gemeinden konfrontiert, die so konservativ sind, dass sie befürchten, ihre Kinder könnten kein positives Gottesbild entwickeln. Dies birgt das Risiko weiterer Abbrüche.

Für die Kirche formulieren die Forscher:innen der internationalen Studie klare Empfehlungen: Sie müssen Orte bleiben, die Familien integrieren, Vergemeinschaftung und Kreativität ermöglichen und Diskursräume für die Fragen der Jugendlichen bieten, anstatt zu indoktrinieren. Kirchliche Dogmen werden heute kaum noch geglaubt oder verstanden. Das Angebot von Antworten und Räumen für die Reflexion der Adoleszenten wird als entscheidend für die Bindung der jungen Generation an die Kirche angesehen, da auch nicht-religiöse Jugendliche eine Sehnsucht nach solchen Auseinandersetzungsräumen zeigen. Eine theologische oder pädagogische Kompetenz in den Familien erleichtert die Vermittlung von Religion erheblich, da Zusammenhänge besser erläutert und erklärt werden können. Die länderübergreifenden Studie, an der auch Christel Gärtner mitgearbeitet hat, wirft ein Schlaglicht auf den tiefgreifenden Wandel der religiösen Sozialisation in Familien über mehrere Generationen hinweg. Die Untersuchung, die von der amerikanischen John Templeton Foundation gefördert wurde, analysiert die Weitergabe, Veränderung und den Abbruch von Religion in fünf Ländern mit christlichem Hintergrund: Deutschland, Finnland, Italien, Ungarn und Kanada. Die Ergebnisse zeichnen ein Bild eines fortlaufenden Rückgangs religiöser Praxis und Glaubensinhalte, warnen aber auch vor Verallgemeinerungen und zeigen unterschiedliche regionale Dynamiken auf.

Die Studie nutzte einen Mixed-Method-Ansatz, der repräsentative Fragebogenbefragungen und Familieninterviews umfasste, bei denen bis zu drei Generationen an einen Tisch gebracht wurden. Im Zentrum stand die Frage, wie Religion innerhalb von Familien über die Zeit tradiert wird.

Kindheit als Prägephase, Adoleszenz als Reflexionszeit

Ein zentrales Ergebnis ist die unterschiedliche Rezeption von Religion in verschiedenen Lebensphasen. Kinder nehmen demnach die Form der Religion an, die sie in der Familie erfahren, inklusive Glaubensinhalte, Werte und Rituale. Sie äußern sich oft positiv, wenn die Inhalte kindgerecht vermittelt werden. Mit der Adoleszenz setzt jedoch eine kritische Reflexionsphase ein. Jugendliche beginnen, Fragen an den Glauben und die vermittelten Werte zu stellen und entwickeln eine eigene Position.

Der Glaube schwindet, Rituale bleiben selektiv

Die Weitergabe des Glaubens selbst erweist sich als am schwierigsten. Während Werte und das Gefühl der Zugehörigkeit eine hohe Kontinuität aufweisen – mit Ausnahme Ostdeutschlands –, sehen die Forscher bei kirchlichen Praktiken und Glaubensinhalten einen deutlichen Bruch. Erfolgreich ist die Weitergabe von Religion heute vor allem dann, wenn die gesamte Familie an einem Strang zieht und in eine religiöse Gemeinschaft eingebunden ist, was eine Art Familienidentität schafft.

Die Feier des gesamten Kirchenjahres, wie sie in der Großelterngeneration noch präsent war, ist in der dritten Generation kaum noch zu finden. Stattdessen konzentrieren sich religiöse Praktiken oft auf einzelne Rituale und zentrale Feiertage wie Weihnachten und Ostern, die zunehmend als Familienfeste begangen werden. Rituale wie der St. Martins-Umzug existieren zwar weiter, werden aber oft als „Laternenlauf“ entkonfessionalisiert und über Kindergärten oder Schulen initiiert.

Regionale Unterschiede und die Rolle der Kirche

Der Säkularisierungsprozess verläuft nicht überall gleich. In Ostdeutschland war bereits in der Großelterngeneration ein scharfer Abbruch der kirchlichen Bindung festzustellen, der sich in der DDR durch Kirchenverfolgung und antikirchliche Politik massiv verstärkte. Dies führte dazu, dass Familien über Generationen hinweg eine Nichtreligion weitergaben. In Italien hingegen erfolgte dieser Prozess wesentlich später und kontinuierlicher. Finnland zeigt eine Besonderheit mit einer hohen Zahl an Konfirmationen, die oft als kulturelles Ritual wahrgenommen werden, selbst von nicht getauften Jugendlichen, und scheint den Rückgang zu verlangsamen. Kanada liegt dazwischen, mit regionalen Unterschieden, insbesondere in katholischen Gebieten wie Quebec, wo eine frühere Distanz zur Kirche aufgrund strenger Erziehung entstand.

Die Mütter spielen rein statistisch gesehen in allen untersuchten Ländern die wichtigste Rolle bei der Vermittlung von Religion. Diese Rolle nimmt jedoch über die Generationen hinweg ab. Großmütter können eine vermittelnde Funktion einnehmen, insbesondere in der ersten und zweiten Generation, aber ihre Rolle kann den Rückgang der elterlichen religiösen Sozialisation nicht vollständig kompensieren. Enkel erinnern die religiöse Weitergabe durch Großmütter zudem weniger deutlich als die Elterngeneration.

Gärtner, Christel/Hennig, Linda/Müller, Olaf (Hg.) (2025): Families and Religion. Dynamics of Transmission across Generations, Frankfurt a.M./New York. ISBN 978-3-593-51994-4.

Deutschlands Sozialsysteme im Wartestand: Reformstau und politische Ängste

Conny und Kurt diskutieren in ihrem Podcast die politische Lage nach der Sommerpause. Insgesamt betonen sie das Fehlen von politischem Mut zur Umsetzung notwendiger, aber unpopulärer Reformen, da Politiker die Angst vor Wählerverlusten haben. Es fehle nicht an Erkenntnissen, sondern an der Umsetzung.

Der angekündigte „Herbst der Reformen“ oder „der Entscheidungen“ für Deutschlands Sozialsysteme lässt auf sich warten. Obwohl die Sozialkosten nominal steigen, sinkt ihr prozentualer Anteil am Bundeshaushalt, was die These einer Unfinanzierbarkeit (Merz) relativiert.

https://youtu.be/DwSWmyzUB7c

Rente: Boomer-Last und Sparvorschläge

Die Rente steht wegen der in den Ruhestand eintretenden Boomerjahrgänge (ab Jahrgang 1955) vor einer „Schräglage“ im Umlagesystem, die bis etwa 2035 anhalten soll. Diskutiert werden Kürzungen von 10% für Rentner mit höheren Bezügen (ab 1.000 Euro), was als erheblicher Verlust kritisiert wird. Eine weitere Option ist die Koppelung von Rentenerhöhungen an den Inflationsausgleich statt an Lohnsteigerungen. Auch die Verlängerung des Arbeitslebens proportional zur gestiegenen Lebenserwartung (ein halbes Jahr pro zehn Jahre) wird erwogen, idealerweise mit flexiblen Altersgrenzen. Die „Rente mit 63“ gilt als überholt. Politischer Mut zu tiefgreifenden Reformen fehlt, da die 20 Millionen Boomer eine entscheidende Wählergruppe sind.

Gesundheitswesen: Kostenfalle und Kommerzialisierung

Das deutsche Gesundheitswesen wird als „Molloch“ und „Supertanker“ kritisiert, das teuer und ineffizient sei, besonders das Hausarztsystem. Effizientere Strukturen wie Polikliniken oder kommunale Arzthäuser mit kooperierenden Fachärzten werden als Alternativen genannt. Problematisch ist die Kommerzialisierung durch private Investoren, die zweistellige Renditen aus den Krankenkassenbeiträgen ziehen. Eine Wiederverstaatlichung dieser Bereiche wird gefordert, stößt aber auf hohe Abfindungskosten. Gesundheitsminister Lauterbachs Krankenhausreform zur Qualitätssteigerung und Bedarfsdeckung wird grundsätzlich befürwortet, trifft aber auf lokalen Widerstand.

Bürgergeld, Zuwanderung und politischer Mut

Das Bürgergeld macht nur 4% des Sozialhaushaltes aus und dient oft als politisches Instrument zur Spaltung. Gleichzeitig wird das große Potenzial von Zuwanderern als Arbeitskräfte und Beitragszahler für die Sozialkassen durch bürokratische Hürden ungenutzt gelassen.

Trotz bekannter Lösungen fehlt es an politischem Mut und Weitblick. Die Angst vor Einkommensverlusten und Wählerstimmenverlusten führt zu „Flickwerk“ statt echter Reformen. Die Priorisierung von Rüstungsausgaben gegenüber sozialen Belangen verstärkt die allgemeine Unzufriedenheit.